Krebs der Gallenwege, auch bekannt als Gallengangskarzinom oder Cholangiokarzinom, ist eine seltene, aber sehr aggressive Krebserkrankung. Die Tumoren entstehen in den Gallenwegen – entweder innerhalb der Leber (intrahepatisch) oder außerhalb (extrahepatisch). Aufgrund unspezifischer Symptome wird diese Krebsart oft spät erkannt, was die Behandlung erschwert. Doch moderne Diagnostik und innovative Therapieansätze verbessern zunehmend die Prognose?
Früherkennung und Diagnose – Die große Herausforderung
Gallengangskrebs verursacht oft lange keine oder nur sehr unspezifische Symptome. Gelbsucht, Juckreiz, ungewollter Gewichtsverlust oder Oberbauchschmerzen treten meist erst bei fortgeschrittener Erkrankung auf. Die Diagnostik umfasst:
- Ultraschall (Sonografie): Erste Untersuchung bei Verdacht.
- Endosonografie (EUS): Kombination aus Ultraschall und Endoskopie zur genaueren Darstellung.
- ERCP (Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie): Direkte Darstellung der Gallenwege, oft kombiniert mit Gewebeentnahme.
- MRT/MRCP: Hochauflösende Bildgebung zur Beurteilung der Gallenwege.
- Biopsie: Gewebeprobe zur Bestätigung der Diagnose und molekularen Analyse.
Therapieplanung – Tumorboard-Entscheidung
Die Behandlung von Gallengangskrebs erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Gastroenterologie, Chirurgie, Onkologie und Radiologie. Die individuell beste Therapie wird im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz festgelegt.
Chirurgische Therapie – Die einzige potenziell heilende Option
Ist der Tumor lokal begrenzt und vollständig entfernbar, steht die Operation im Vordergrund:
- Leberteilresektion: Bei intrahepatischem Cholangiokarzinom.
- Gallengangsresektion mit Rekonstruktion: Bei extrahepatischem Tumor.
- Whipple-Operation: Bei Tumoren nahe der Leberpforte (Hiluskarzinom oder Klatskin-Tumor).
- Lymphknotenentfernung: Wichtig für die korrekte Stadieneinteilung.
Da Gallengangskrebs oft spät entdeckt wird, ist eine vollständige Entfernung (R0-Resektion) leider nur bei etwa 20-30 % der Patient:innen möglich.
Adjuvante Therapie – zusätzliche Sicherheit nach der OP
Nach erfolgreicher Operation wird in der Regel eine adjuvante Chemotherapie empfohlen, um das Rückfallrisiko zu senken:
- Standard ist eine Behandlung mit Gemcitabin und Capecitabin.
- Bei HochrisikopatientI:innen wird eine Kombination mit Cisplatin in Betracht gezogen.
Systemische Therapie bei fortgeschrittenem oder inoperablem Gallengangskrebs
Wenn der Tumor nicht vollständig operabel ist oder bereits Metastasen vorliegen, wird eine systemische Therapie eingesetzt:
- Chemotherapie: Kombination aus Gemcitabin und Cisplatin ist die Erstlinientherapie.
- Zweitlinie: Optionen wie FOLFOX (5-FU, Oxaliplatin) oder neue zielgerichtete Therapien.
Zielgerichtete Therapien – Neue Hoffnung durch molekulare Diagnostik
In den letzten Jahren hat sich die molekulare Charakterisierung von Gallengangskrebs stark verbessert. Folgende genetische Veränderungen bieten Ansatzpunkte für personalisierte Therapien:
- FGFR2-Fusionen: Behandelbar mit FGFR-Inhibitoren wie Pemigatinib oder Futibatinib.
- IDH1-Mutationen: Einsatz von Ivosidenib möglich.
- NTRK-Fusionen: Behandlung mit TRK-Inhibitoren wie Larotrectinib.
Diese zielgerichteten Therapien sind aktuell meist in der metastasierten oder fortgeschrittenen Situation zugelassen – oft nach Versagen der Standardchemotherapie.
Immuntherapie – Gezielte Aktivierung des Immunsystems
Bei einigen Patient:innen mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) oder hoher Tumormutationslast (TMB) kann eine Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren wie Pembrolizumab sinnvoll sein.
- Immuntherapie ist beim Gallengangskrebs jedoch (noch) keine Standardbehandlung, sondern wird vor allem in Studien erprobt.
Lokale Therapien bei nicht operablen Tumoren
Wenn eine Operation nicht möglich ist, können lokale Verfahren helfen, den Tumor zu verkleinern oder Beschwerden zu lindern:
- Brachytherapie (interne Bestrahlung): Radioaktive Seeds direkt im Tumor.
- Photodynamische Therapie (PDT): Lichtempfindlicher Wirkstoff wird injiziert, anschließend wird der Tumor mit Laserlicht bestrahlt.
- Stenteinlage: Offenhalten der Gallenwege bei Gallengangsverschluss.
Palliative Therapie – Lebensqualität erhalten
Wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, wird der Fokus auf die Linderung von Beschwerden gelegt:
- Symptomkontrolle: Behandlung von Gelbsucht, Juckreiz, Schmerzen.
- Psychoonkologische Begleitung: Unterstützung bei emotionalen Belastungen.
- Ernährungsberatung: Unterstützung bei Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit.
Klinische Studien – Zugang zu innovativen Behandlungen
Da Gallengangskrebs selten ist, gibt es laufend klinische Studien zu neuen Medikamenten und Kombinationstherapien. Teilnahme an einer Studie bietet oft die Chance, früh Zugang zu innovativen Wirkstoffen zu bekommen.
Nachsorge – Auch nach der Therapie gut begleitet
Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen helfen, Rückfälle frühzeitig zu erkennen. Je nach individueller Situation werden:
- Bildgebung (Ultraschall, MRT/CT)
- Tumormarker-Bestimmungen (z. B. CA 19-9)
- Klinische Kontrollen durchgeführt.
Begleitend werden Unterstützungsangebote wie Psychoonkologie, Bewegungstherapie und Ernährungsberatung empfohlen.
Neue Forschung und Perspektiven – Personalisierte Therapie im Fokus
Die Forschung zu Gallengangskrebs schreitet schnell voran:
- Liquid Biopsy: Früherkennung von Rückfällen durch zirkulierende Tumor-DNA im Blut.
- Kombinationstherapien: Kombination aus Immuntherapie, zielgerichteten Therapien und Chemo.
- Mikrobiomforschung: Einfluss der Darmflora auf Tumorwachstum und Therapieansprechen.
Moderne Behandlung bei Gallengangskrebs setzt auf eine Kombination aus:
- Chirurgie, wenn möglich,
- Systemischer Therapie (Chemo, zielgerichtete Medikamente),
- Symptomkontrolle und unterstützende Maßnahmen,
- Teilnahme an Studien für Zugang zu neuen Therapien.
Quelle: Prosoma
- Deutsche Krebsgesellschaft – Gallengangskrebs
- Leitlinienprogramm Onkologie – Gallengangskarzinom