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Diagnose verarbeiten - Wie?

Es gibt typische Phasen in der emotionalen Verarbeitung von Krebs, die viele Betroffene erleben.

24.10.2025
Expertenbeitrag

Wie kann die emotionale Verarbeitung einer Krebsdiagnose gelingen? Vom Zeitpunkt der Diagnose bis zu einem Zeitpunkt von Akzeptanz und Integration der Erkrankung liegt eine lange Strecke. Sie verläuft bei jedem Menschen anders, hat aber auch typische Streckenabschnitte, die sich bei vielen Patient*innen wiederholen.

Was passiert nach der Diagnose Krebs?

Den Anfang bildet in der Regel die Diagnose. Vielleicht gab es schon einen Verdacht und die Diagnose kam als Bestätigung. Häufig aber trifft die Diagnose einen Menschen wie ein Erdbeben. 

Die Hausmauern wackeln, der Boden schwankt, das Geschirr fällt klirrend aus den Regalen. In der Psychoonkologie wird von einem “Sturz aus der Wirklichkeit” oder von einem Diagnoseschock gesprochen. 

Mit der Diagnose endet eine Wirklichkeit oder auch eine Normalität, die bislang Sicherheit vermittelt hat. Theoretisch weiß jeder Mensch, dass es kein Abonnement auf gesunde achtzig oder neunzig Lebensjahre gibt. Im Moment der Diagnose jedoch zerbröselt diese Illusion und macht vor allem eines: Angst. Oft ist der erste Gedanke: Ich werde sterben, mein bisheriges Leben ist hiermit zu Ende.

Krebs: Stress und Angst nach der Diagnose

Die Übermittlung der Diagnose wird deshalb auch als traumatisierend und zutiefst verunsichernd erlebt. Sie löst eine Art Schockzustand aus, der - je nach Persönlichkeit, je nach Schwere der Diagnose, je nach Art der Diagnoseübermittlung, je nach sozialer Unterstützung … - über Tage, Wochen und Monate anhalten kann. 

Manche Betroffene beschreiben dies so: “Ich hatte das Gefühl, das bin gar nicht Ich. Das alles hat mit mir nichts zu tun.” Im Schockzustand schaltet die Seele auf Überlebensmodus. Nichts fühlen, nur funktionieren.

Abspaltung nach Krebs-Diagnose: Ein häufiger Schutzmechanismus

Oft zieht sich die Schockphase bis weit in die Behandlungsphase hinein – oder bis an das Ende der Behandlung. Die Gefühle werden oft in den Schrank gesperrt. 

Manches Mal quellen sie mit Wucht aus dem Schrank hervor, werden aber rasch zurückgedrängt. Denn zunächst müssen vor allem körperliche und praktische Herausforderungen gemeistert werden. Der Behandlungsmarathon, die Änderungen im beruflichen und privaten Leben – all das braucht Kraft. Da sind heftige Gefühle nur im Weg. Oft flüchten sich Patient:innen in den Satz “Nützt ja nichts, da muss man eben durch.” 

Die Unterdrückung der eigenen Gefühle ist absolut nachvollziehbar und hat eine gewisse Schutzfunktion. Auf Dauer jedoch wird die Sache mit dem Schrank nicht heilsam sein. Wir sind als Menschen fühlende Wesen. Ohne unsere Fähigkeit, Gefühle zu empfinden und auszudrücken, wären wir Maschinen, die zwar funktionieren, aber ihre Lebendigkeit verloren haben.

Es ist also keine gute Idee, den Schlüssel zum Schrank wegzuwerfen. Um sich wieder lebendig zu fühlen, um weinen, lachen, wüten, lieben zu können, braucht es ALLE Gefühle auch die unangenehmen. 

Phase drei der Verarbeitung: Akzeptanz

Was passiert, wenn sich die Schranktüren öffnen? Wird die Angst vor einem ungünstigen Verlauf, vor einem Rezidiv, vor Verlusten, vor Schmerzen, Einschränkungen oder einem zu frühen Abschied aus diesem Leben mit Macht über mich herfallen? 

Tatsächlich gibt es nicht den einen Königsweg der emotionalen Krankheitsverarbeitung. Was sich jedoch als hilfreich bewährt hat, sind zum Beispiel folgende Maßnahmen: 

  • Suche Dir Menschen, um Dich mit den Monstern aus dem Schrank auseinanderzusetzen. Reden, reden, reden und keinesfalls alles alleine aushalten wollen! 
  • Du kannst die Türen öffnen und wieder schließen. Zum Beispiel kannst Du mit Deinem Arzt/Deiner Ärztin offen über Deine Situation sprechen. Du kannst Dich darüber informieren, was Du jetzt für Dich und Deine Gesundung tun kannst. Dann machst Du die Tür wieder zu. 
  • Du kannst Deine Ängste in den Griff bekommen, indem Du sie zulässt, sie ausdrückst und Dich dann bewusst angenehmen Aktivitäten zuwendest, die Dir Freude bereiten. 

Zögere nicht, Dir Hilfe zu holen und einen Termin bei der nächstgelegenen Krebsberatungsstelle zu vereinbaren, wenn Du merkst, dass Du alleine damit überfordert bist. Auch eine Rehabilitationsmaßnahme kann Dir dabei helfen, die Schranktüren zu öffnen und Dich Deinen Ängsten zu stellen.

Dieser Artikel wurde mit größter Sorgfalt und unter Einbeziehung von Expert:innen erstellt. Er kann einen Überblick bieten, ist jedoch nicht geeignet, die Beratung durch einen Arzt oder eine Ärztin zu ersetzen.

Autor
Autorin
Prüfer
Prüferin

Angelika von Aufseß

Psychoonkologin und Autorin mit über 10 Jahren Erfahrung in der therapeutischen und rehabilitativen psychoonkologischen Arbeit mit Patient:innen nach der Krebsdiagnose.

Mehr erfahren
Quellen:
  • Deutsche Krebshilfe e. V.: Umgang mit Gefühlen. (Broschüre/PDF). 
  • Deutsche Gesellschaft für Psychoonkologie (dapo): Informationen zum Diagnoseschock und zur Krankheitsbewältigung.
  • Stierlin, H. (Fachliteratur zur Psychotherapie). 
  • S3-Leitlinie Psychoonkologie (Lang- und Kurzversion): Titel: S3-Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatient*innen [Herausgeber: Leitlinienprogramm Onkologie (gemeinsames Programm der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Krebshilfe und der AWMF)] 
  • Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ): Themen: Krebs und Psyche, Krankheitsbewältigung, Psychologische Beratung. 
  • Deutsche Krebshilfe (DKH) (speziell die „Blauen Ratgeber“ und Informationen zur psychoonkologischen und ernährungsbezogenen Begleitung).
  • Regionale/Landes-Krebsgesellschaften und Krebsberatungsstellen: Patienteninformationen
Kennst Du jemanden, der das wissen sollte? Teile es gerne weiter!

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